04.11.2003

Tränentäler

Schmerz, Schuld und Schande machen uns betroffen

Fernsehmuseum: Show: Vermisstensuche

Im November entführt das Fernsehmuseum in die Abgründe verschiedener Reality-TV-Sendungen um die Wirklichkeit der Emotionen spürbar zu machen.

November - letzte Blätter fallen durch die Nebel in die Einsamkeit: Allerseelen, Buß-und Bettag, Totensonntag - wer in diesem Monat nicht von selbst auf trübe Gedanken kommt, der sei herzlich eingeladen, dem Fernsehmuseum beizuwohnen.

Zu sehen gibt es diesmal einen unterhaltsam-depressiven TV-Cocktail, gesalzen mit den Tränen der Fortgegebenen, der Zurückgelassenen, der Entkommenen, aber auch denen der Heuchler.

Ihnen allen gemein ist die Beschwörung der Geister der Vergangenheit. Sie alle ringen um Worte - um ihren ganz persönlichen Zauberspruch, der das Gewesene zurückholt oder es für immer zum Schweigen bringt.

Bitte melde dich! ist der verzweifelte Ruf, der uns aus dem magischen Auge entgegenschallt. Selten wird klarer, wie sehr wir Menschen auf die Logizität des schlüssig Begründeten angewiesen sind, um nicht physisch und psychisch zu erkranken. Nichts zieht uns den Boden so sehr weg wie die Grund-Losigkeit. So greifen diese zerstörten Menschen auch zu dem Strohhalm, um endlich den vermissten Menschen wiederzufinden oder wenigstens den Grund für sein verschwinden zu erfahren.

Ein bekannter Fernsehseelsorger, hilflose Eltern, ein Karl-Marx-Fan, ein Betroffenheits-Duo und ein kirgisischer Poet bilden das Tränen-Spalier, durch das geschritten der werte Fernsehmuseums-Besucher gestählt und trotzoptimistisch in die dunkle Jahreszeit entlassen werden kann.