01.01.1970

S.R.I. und die unheimlichen Fälle

… ein Alptraum kehrt zurück …

Fernsehmuseum: Serien: Angst

Seit fast 40 Jahren vom Bildschirm verschwunden, ohne jede Spur – verzweifelte Gesuche in Internetforen: Wo ist S.R.I. und die unheimlichen Fälle?!!!? Wir wissen Rat! Die Soziale Plastik des Fernsehmuseums schätzt sich außerordentlich glücklich, in Zusammenarbeit mit Abteilung DG und dem Festival Asian Hot Shots Berlin* einige Folgen der legendären TV-Serie erstmals seit 1971 wieder zu zeigen – im japanischen Original, anmoderiert und begleitet von einer der Gründerinnen des Festivals und Dolmetscherin Maria Römer.

Wir erinnern uns: Es ist das Jahr 1971, es muss mitten in der Woche sein, denn zum Abendbrot gab es auch kalten Braten. Schnell ein bisschen fernsehen, bevor man ins Bett muss … Aber was ist das??? Leute mit fremden Gesichtern tauchen auf dem Bildschirm des Zweiten Deutschen Fernsehens auf. So schmale Augen, so schwarze Haare. Mama sagt: „Das sind Japaner“, und geht in den Keller bügeln. Sieht lustig aus. Aber warum kann dieser Mann plötzlich durch Wände gehen? Warum kriecht der Schleim über diese Frau? Warum schreit sie nur so furchtbar? Und in die winzige Metallkiste da passt doch kein Mensch rein! Da muss doch jemand Hilfe holen! Aber der Mann, der zum Hörer greift, verbrennt zu Asche am Telefon! Nein, nicht weitergucken!!! Aber die Faszination ist zu groß. Es kriecht in die Seele und lagert Bilder ab, die keiner der Zuschauer je vergessen wird. Wir sind alle auf ewig verloren und das Böse, das unergründlich Böse, findet uns überall!!!

Zitternd liegen Tausende von Kindern zwischen 6 und 13 nach acht im Bett. Über 30 Jahre später schreiben sie sich den Horror von der Seele – im Internet, der Endlagerstätte für Erinnerungen. Und alle haben ein großes Bedürfnis: Endlich diese zentrale Traumatisierung ihrer Kindheit noch einmal zu erleben, um die Gespenster der Vergangenheit doch endlich loszuwerden. In der Sozialen Plastik des Fernsehmuseums ist jetzt Gelegenheit dazu.

S.R.I. und die unheimlichen Fälle wurde 1968 in Japan hergestellt. 1971 strahlte das ZDF die erste Staffel aus, setzte die Serie aber wegen „zu großer Gewalttätigkeit“ (und sicher Tausenden von Beschwerdebriefen besorgter Eltern) wieder ab. Danach verschwand S.R.I. im wahrsten Sinne des Wortes von der Bildfläche. Nirgendwo waren bislang Kopien aufzutreiben. Keine DVD-Veröffentlichung ist in Sicht. reproducts sind nun durch einen Mittelsmann in Japan ein paar (offenbar von einem Schneidetisch abgefilmte) Folgen auf Datenträger zugespielt worden. Anlässlich des Asian Hot Shots Festival 2009 vom 13. bis zum 18. Januar in Berlin bildet die Soziale Plastik aus drei besonders bizarren Folgen einen Mahlstrom des Erinnerns.

Das Vorbild für Serien wie Akte X wirkt heute natürlich etwas unbeholfen und ärmlich in der Umsetzung, mit der die wie immer unvermeidliche Komik einhergeht. Trotzdem haben die Bilder von S.R.I. auch nach 40 Jahren noch eine brutale Wucht. Die Macher der Serie standen ganz offensichtlich in engstem Kontakt mit dem Gruselkabinett des kollektiven Unbewussten, dessen Schrecken jenseits aller Kulturen und Sozialisationen wurzelt. Fötale Erstickungsdramen und Selbstnichtung in der Seinsauflösung. Phallischer Triebstau und sehnsüchtiger Hass auf die Urmutter des Lebens. Komplexität moderner Technik, die in Paranoia vor der Unkontrollierbarkeit der Dinge mündet … und hilflose Opfer, die aus dem Fernseher heraus erschossen werden. Kein Wunder, dass die Kleinen, die sonst auf diesem Sendeplatz, zu dieser Uhrzeit Serien wie Königlich Bayerisches Amtsgericht gewohnt waren, einen Hau fürs Leben kriegten.

*Leider findet das Asian Hot Shots-Festival seit 2011 nicht mehr statt.