„Nichts verkaufen, alles verschenken!‟

1991
Objekt »Alles im Griff«
DIN-A4-Plastikmappe, Text und Bilder auf auf Transparentpapier gedruckt
Auflage unbekannt, fortlaufend nummeriert

»Alles im Griff« – die erste Weihnachtsaussendung von reproducts
als Dankeschön für das in die Gruppe investierte Vertrauen

„Nichts verkaufen, alles verschenken!‟, waren die letzten Worte des väterlichen Mentors der Gruppe, Dr. Reto Spuç, bevor dieser die neubezogenen Räume in der Wendenstraße 45c in Hamburg für immer verließ. Der Verkauf, auch wenn es nur ein notgedrungener gewesen war, des Objekts »Kleiderbügel« an die Deutsche BP war der Schritt vom Wege, den dieses entscheidende Gründungsmitglied nun nicht mehr weiter mit dem Rest von reproducts zu gehen gewollt war. Der Pesthauch der Kommerzialisierung wehte für ihn durch die Flure und machte die Zürckgebliebenen tief betroffen.
Als Ablass in eigener Sache oder Ausräucherung, je nachdem wie christlich-religiös oder pantheistisch-spirituell man die Sache nimmt, entschließt sich die Gruppe, statt etwas zu verkaufen (was doch eigentlich ohnehin nie beabsichtigt gewesen war), allen geschätzten Wegbegleitern und Mitstreitern etwas zu schenken! Die Abschrift einer Folge des Kinder- und Jugendmagazins Wie wär’s – Hobbys und Basteltips: Photographieren – aber richtig! (1987 im Nachmittagsprogramm von DDR1 gesendet) auf Transparentpapier gedruckt geht als Weihnachtsgeschenk in die Welt hinaus.
Wie sich später herausstellte eine geradezu mystische Vorahnung. Von der Sendung existiert weder im Deutschen Rundfunkarchiv noch in einem der sonstigen TV-Archive eine Kopie. Bis auf diese eine, verschneite VHS-Kopie im reproducts-Archiv …

„WIE WÄR'S?“ … Nun ja – ES IST! 1991 wurde aus der vagen Vermutung endgültig Gewissheit: Die DDR war verschwunden. Und zwar in einer Radikalität, wie es auch die Pessimisten in der Gruppe nicht geahnt hatten. Wir sind uns der Gnade bewusst, in einer Zeit gelebt zu haben, die zwei vollkommen verschiedene und doch parallele Welten kannte. Was den Menschen vor uns und nach uns nur durch strenge Askese oder fragwürdige Drogen möglich ist, lag bis 1990 nur einen Daumenklick auf der TV-Fernbedienung voneinander entfernt. Gerade in diesen Randbrereichen und den blinden Flecken der medialen Kultur wurden und werden die Werte einer Gesellschaft vermittelt. Hier werden Werte etabliert, Geschlechterrollen, richtig und falsch, gut und böse. Spielerisch, beiläufig und kaum greifbar – aber bis ins Mark prägend. Die Wie wär’s – Hobbys und Basteltips-Sendung »Photographieren – aber richtig!« ist quasi der Heilige Gral des Archivs von reproducts und bringt wie kaum ein anderes Inventarstück die Sammlungsstrategie der Archivare auf den Punkt und inauguriert qua der dargestellten Exempel gleichzeitig deren Verwertungsstrategien.

„Ein animiertes Gruppenfoto ist eine sehr schöne Sache.“

Stellvertretend für all die nie mehr gesehenen Ernteberichte und Märchenlandbesuche verschickt reproducts zur Jahreswende 1991/92 eine vollständige Mitschrift eines Photokurses in der Kindersendung Wie wär's vom 12. März 1988.