01.04.2003

Menschen, Versuche, Unterhaltung

Fröhliche Wissenschaft

Fernsehmuseum: Magazine

Das Fernsehen piesackt die Humanisten auf grausame Weise: Einerseits verspricht es ihnen die attraktivste Verbreitung ihrer Botschaften, andererseits ist es wohl in keinem anderen Medium so schwierig, wissenschaftliche Zusammenhänge in memorierbarer Form den Köpfen der Menschen einzuprägen. Das Fernsehmuseum zeigt geglückte und missglückte Experimente, Wissenschaft ins Wohnzimmer zu bringen.

Den Beginn macht das Telekolleg, das pullunderbewehrt in einer 70er-Jahre-Zeitschleife gefangen ist und von dort vor beigen Tafeln und sägezahnigen Blue-Screen-Einspielern die Berechnung von Grenzwerten erklärt, die dieses Format in seiner asymptotischen Genialität gegen Null bereits lange überschritten hat.

In eben jenen 70er-Jahren entstand aber auch ein Format, das einen völlig anderen Weg einschlug. Hier legte monatlich ein intelligenter und charismatischer Moderator messerscharf einen Querschnitt durch die Sedimentschichten des Wissens. Dabei gelang ihm das scheinbar Unmögliche: Wissenschaftliche Zusammenhänge wurden anschaulich, verständlich und erinnerbar dargestellt. Fast überflüssig zu erwähnen, dass mit dem Abgang des Moderators auch das Format für immer vom Bildschirm verschwand. Passend zum grundsätzlichen Anliegen des Fernsehmuseum zeigt die ausgewählte Folge, wie das Sehen funktioniert.

Den Abschluss bildet ein Besuch in der zeitgenössichen Hölle des „neueren" Unterhaltungsfernsehens. Hier dachte sichein gewisser Joachim Blutbad oder so ähnlich – die fleischgewordene Antithese des oben erwähnten Moderators –, dass die totale Verspaßung der Inhalte doch das Beste sein müsste, denn mit „Lust und Laune“ lerne es sich ja am besten – auf Lerchenbergisch heißt das dann Knoff-Hoff-Show. Ein postfaschistisches Müsli-Theorem, das uns die bunten Bilder der Banalisierung als Augsburger-Puppenkisten-See-Imitatfolie unter dem Narrenschiff der kollektiven Regression beschert hat. Zwingender Sackbahnhof dieses Ansatzes ist ein ebenso asymptotischer Reduktionsprozess, denn Inhalte lassen sich umso komprimierter und unterhaltsamer darstellen, je mehr die Zusammenhänge verkürzt werden – am besten, wenn man ganz auf sie verzichtet. Die Analogie zu den Prozessen in der Wirtschaft ist augenfällig. Hier wie dort gilt nur der Gewinn des Augenblicks: Die Quote ist der Börsenwert, der in der Spekulation um die Zuschauergunst als erste Opfer Verständlichkeit und Verstehen fordert. Übrig bleiben ein an Logorrhöe leidender Moderator und ein offenmundiges Publikum aus nichts als Ohs und Ahs. Vor Implosionen wird gewarnt!

Interessant auch die Assistentinnen des promovierten Tele-Physikers, der wohl mal zu lange den Kopf in die Cern-Röhre gehalten hatte: Ramona Leiß (1986-1992), Babette Einstmann (heute von Kienlin, 1993-99), Monica Lierhaus (2002-3) und Kim Fischer (2004). Danach trat Dussel Duck in der seltsamerweise Joachim Bublath benannten Show nur noch ganz allein auf. Bis das deutsche Fernsehpublikum 2008 begnadigt wurde und diese trübsinnige Interferenz an dünnen Schichten für immer verschwand. Is immer schön, wenn der Schmerz aufhört.