Problemfallfernsehen
Wenn sozialer Sprengstoff implodiert
Fernsehmuseum: Serie: Sozialdramen

Das Fernsehen ist ein Spiegel seiner Zeit und exerziert die Lösungen derzeitiger gesellschaftlicher Konflikte beispielhaft durch. Klar, so gehört sich das für ein Massenmedium. Früher haben das Bücher und Theaterstücke erledigt. Davor waren es die Geschichten am Lagerfeuer. Gut, das ist jetzt wirklich nichts Neues. Die Soziale Plastik des Fernsehmuseums interessiert sich jedoch für das relativ kleine Zeitfenster, als das Fernsehen noch mit dem Anspruch gesellschaftlicher Bildung auftrat und auch im fiktionalen Bereich paradigmatisch Konfliktlösungen durchdeklinierte. Natürlich mit der im deutschen Fernsehen scheinbar unweigerlichen Brachial-Verflachung von Themen, aber dennoch geprägt von einem anderen Anspruch. Der sah in den 70ern nämlich tatsächlich noch anders aus als in den 90ern. Da hatten sich die Fernsehmacher schon komplett verabschiedet von der Idee, eine gesellschaftliche Debatte anzuführen. Soziale Konflikte waren und sind ab damals nur noch eine klischierte Folie, auf der Cocooning-Konflikte in den privaten Sackgassen zelebriert werden. Mit dem Anhandenkommen einer gesellschaftlichen Utopie scheint auch die gesellschaftliche Auseinandersetzung im Medium Fernsehen obsolet. Sie wurde und wird durch die Quatschrunden der endlosen Talkshow-Formate so wortreich wie, in den allermeisten Fällen, inhaltsleer ersetzt.
Schauen wir also zurück in die 60er und 70er zu Unser Walter, Kommissar Freytag und landen wie immer - die Bahn ist ja nur Dienstleister - schließlich auf dem Kleinstadtbahnhof.

Begonnen hat dies alles so, wie es immer läuft, von Generation zu Generation neu: mit der Altersschwäche der aktiven Kriegsgeneration, die ihr Regiment einfach nicht mehr gegen die Jugend aufrecht erhalten konnte. Man wagte mehr Demokratie, man wagte tiefere Einblicke in Rückblicke und Rockschlitze, man wagte die Behauptung, dass eine andere Zeit angebrochen sei. Auch im Fernsehen wurden die alten Zöpfe abgeschnitten und von progressiven Antiautoritaristen wie Dieter „im Fernsehgarten trag’ ich meine Strickjacke“ Stolte ersetzt. Wie das genau aussah, zeigen televisionäre Schlaglichter aus einer Zeit als das Down-Syndrom noch Mongolismus war, Rocker noch Nieten trugen und Stadtrandsiedlungen „Mau Mau“ hießen.

Ganz schön mutig, mag man da denken. Und zu Recht! Denn ein Besuch bei Kommissar Freytag in den 60er Jahren beim Kampf gegen renitente Polen lässt erahnen, gegen welche Altlasten Fernsehmacher in den 70ern zu kämpfen hatten.