07.05.2004

Sektensex & Todesschwadroneure

Christian Anders meets Jim Jones

Fernsehmuseum: Fernsehfilme

Es war das Jahr 1978, als Reverend Jim Jones an die 900 Jünger seines »People's Temple« im Dschungel von Guyana in den Tod führte. Seine Utopie einer klassenlosen Gesellschaft in völliger Freiheit war damit endgültig zum Unort geworden. Die letzte, wahnwitzige Konsequenz einer despotischen Parabel, entlang derer Jim Jones die Mühseligen und Beladenen benutzt und beschmutzt hatte wie jeder andere gute Führer in der Geschichte vor ihm. Diese Tragödie tropfte offenbar auch in die Gehirnwindungen eines Schlagersängers namens Christian Anders. Und da sein Schlagerstern langsam unterging, verfasste er flugs ein Drehbuch, das seine Allmachtsphantasien weiter blühen ließ. Buch, Regie, Musik und Hauptrolle: Christian Anders. Lediglich die weibliche Hauptrolle ließ er „Black Emanuelle“ Laura Gemser übernehmen – die Weisheit eines echten Sehers. Das Fernsehmuseum zeigt nun seinen 23 Jahre alten Erguss - Die Todesgöttin des Liebescamps – und gibt zur Erinnerung die Peter-von-Zahn-Reportage über den Jonestown-Massenselbstmord mit auf den Weg.

Was den Anders-Film betrifft möchten wir hier Heinz Klett vom geheimnisvollen Filmclub Buio Omega zitieren:

"Peace can be yours if you give yourself to love."
(Original-Textzeile des Titelsongs)

Christian Anders, heutzutage besser bekannt unter seinem Gurunamen Lanoo, war schon immer ambitionierter, als die meisten seiner Kollegen aus der Schlagerbranche. Sein Lebenswerk ist durch unvergessliche Melodien ("Es fährt ein Zug nach nirgendwo") ebenso geprägt wie durch seine schriftstellerischen Ergüsse ("Il Gobbo - und der Teufel pfeift sein Lied" oder auch sein Fachbuch zur Heilung von AIDS).

Christians Künstlername war von Anfang an Programm, denn anders wollte er schon immer sein. Christans großes Ziel war es, endlich seine Träume ausleben zu können. Und weil sich jeder kleine Junge einmal wünscht, im Film gegen feindliche Cowboys oder Ritter zu kämpfen und den Drachen zu erschlagen, legte der wohlhabende Schmusesänger irgendwann sein Erspartes zusammen, schrieb Drehbücher und inszenierte zwei wunderbare Filmwerke, in denen er natürlich auch die Hauptrolle spielte. Jetzt konnte er nach Herzenslust die bösen Buben verprügeln und schöne Frauen retten. Da Christian auch ein Meister asiatischer Kampfkünste ist, durften in beiden Filmen Martial Arts-Sequenzen von unerbittlicher Härte nicht fehlen.

Leider konnte auch eine gigantische Werbemaschine weder DIE BRUT DES BÖSEN noch DIE TODESGÖTTIN DES LIEBESCAMPS in die Kinohitparaden katapultieren. Da half auch ein Auftritt im GROSSEN PREIS nichts, bei dem Christian den schwierigsten Stunt aus der BRUT nachspielte. Wim Thoelke war sehr beeindruckt und Christian musste mit Walter Sparbier die Gewinnlose der Lotterie ziehen.

Bedenkt man seine Gurukarriere ist TODESGÖTTIN beinahe als Zukunftsvision zu sehen. Christian ist Dorian, der Lieblingsjünger der "Göttlichen" (natürlich Laura Gemser), der in ihrem Auftrag neue Anhänger für ihr Liebescamp rekrutiert. Die "Göttliche" verlangt von ihren Jüngern absoluten Gehorsam und wer das Camp verlassen will, wird von ihrem monströsen Leibwächter Tanga (Sascha Borysenko) ins Jenseits befördert. Als sich Dorian in die Senatorentochter Patricia (Simone Brahmann) verliebt, steuert die Liebeskomune auf die Katastrophe zu.

DIE TODESGÖTTIN DES LIEBESCAMPS ist einer der Filme, deren Qualitäten durch eine Nacherzählung des Inhalts nicht zu vermitteln sind. Es sind vielmehr einige unglaubliche Musical-Nummern und Kabinettstückchen, wie eine derbe Entjungferungsszene, die den Film unvergesslich machen. Anders schauspielerische Leistung, seine Blicke, die Frisur... - dies alles brennt sich unauslöschlich ins Hirn des Betrachters.

Und über allem thront die wundervolle Laura Gemser. Sie ist die Idealbesetzung, die Göttliche, und wirklich die einzige Schauspielerin im ganzen Film. Wenn Laura fast nackt ein weißes Pferd besteigt und unter dem Jubel ihrer Anhänger ins Camp reitet, dann möchte man selbst ihrem Zauber erliegen und sich in die Reihen der Verblendeten einreihen.

© by HEINZ KLETT (heinz.klett@buio-omega.de)

Der vollständige Text findet sich unter:
www.buio-omega.de/MOVIES/1999/Todesgoettin.htm