06.01.2006

Ohnmächtig vor Fremdscham

"I do need to see this" – The Comeback

Fernsehmuseum: Erinnerungen an das gute TV

Da gibt es so eine wahnsinnig beliebte Serie um eine WG von Freunden, die sich sinnigerweise Friends nennt. Wie oft schon haben wir daran vorbeigezappt! Da spielte so eine Frau mit - Phiebi oder Fibi oder so. Irgend so ein Ami-Girl mit Namen Lisa Kudrow machte das. Na ja, das blonde Dummchen der Serie. Als sich dann die erste Folge von The Comeback in der Medienreuse des reproducts-Labors verfing, trauten auch hartgesottene Spezialisten ihren Augen nicht: Lisa Kudrow ist eine begnadete Schauspielerin, die eine geniale Serie miterdacht, mitproduziert und mitgeschrieben hat! (Natürlich hat die gesamte reproducts-Belegschaft danach in einer 90 Stunden währenden – katheterisierten - Binge-Session sämtliche 236 Folgen von Friends angesehen, um diese eklatante Fehleinschätzung angemessen schmerzhaft zu revidieren, denn natürlich war Lisa Kudrow auch da schon genial!) Die Idee und der Großteil der Bücher zu The Comeback stammt übrigens von Michael Patrick King, der bereits mit Sex and the City gezeigt hat, dass er weiß, wo die Sarah den Parka holt.

Es fängt an wie im echten Leben: Lisa Kudrow ist Valerie Cherish - eine Sitcom-Darstellerin, die mit einer wahnsinnig erfolgreichen Sitcom wahnsinnig beliebt geworden war. Bis Mitte der 90er. Seitdem schwimmt sie zwar im Geld, hat obendrein einen gut aussehenden, erfolgreichen Mann, aber sie würde nur zu gern zurückkommen ins Scheinwerferlicht. Das klappt allerdings nicht so richtig. Jedenfalls bis sie auf das Angebot ihres alten Senders eingeht: Sie bekommt eine Rolle in einer neuen Sitcom, natürlich altersentsprechend als die etwas in die Jahre gekommene Aunt Sassy, die den jungen Leuten etwas genervt bei ihrem alterentsprechendem Treiben zuschaut. Der Preis dafür: Valerie und ihre Erlebnisse während dieses Comebacks werden rund um die Uhr von einem Reality-TV-Team eingefangen. So zeigt The Comeback "raw footage", wie es immer im Vorspann heißt: Handkameragezappel, das keine verzweifelte Bemühung, keine Demütigung, keine Lachfalte, keine Träne auslässt. Soweit wäre es noch Durchschnitt. Lisa Kudrow ist es jedoch zu verdanken, dass die Figur der Valerie immer ambivalent bleibt – hyperreal wie im echten Leben. Valerie ist jederzeit Täter und Opfer zugleich.

Darüber hinaus nicht zu vergessen eine unfassbar gute Kameraarbeit in Tateinheit mit einer so feinen Tonmischung, die aus dem scheinbar realen, zufälligen Chaos so unmerkbar die für die Story wichtigen Audio-Infos herausstellt, ohne sie gewollt wirken zu lassen ...

Eigentlich ein Pflichtprogramm für alle Fernsehmacher in Deutschland, um mal zu sehen, wie man so etwas organisch löst. Ja, auch beim WDR-Tatort.

Ohne Zweifel das bis jetzt (2006) bedeutendste Fernsehereignis des neuen Jahrtausends.

Nachtrag 2016:

Und 2014 kam die zweite Staffel und setzt dem noch eins drauf!
Und für 2017 ist eine neue Staffel angekündigt!