Das Risiko der Wohltat
Der Große Preis
Fernsehmuseum: Show, Benefiz-Aktion

Am Tag der Deutschen Einheit wartet das Fernsehmuseum mit einer Sendung auf, die bereits in den 70er Jahren das ganze Volk vor dem Fernsehschirm vereinte: Der Große Preis. Mit niemand anders als Heinrich Georg Wilhelm Thoelke aus Mülheim, besser bekannt als Big Wim aus der Anstalt. Der Fernseh-Anstalt. Ein Mann mit vielen Gesichtern. Jura-Studium in der Promotion abgebrochen (Thema: „Rechtliche, insbesondere urheberrechtliche Probleme des Fernsehens“), Sport-Reporter, kaufmännischer Direktor einer Charter-Fluggesellschaft, Faktotum eines Stuttgarter Millionärs, Betreiber eines Abwasserentsorungsunternehmens, Patenthalter für die Dehnbundhose, Erfinder des Aktuellen Sportstudios (zusammen mit Harry Valerien und Rainer „Lammfellmantel in der Kältekammer“ Günzler), Verfasser der Autobiographie »Stars, Kollegen und Ganoven« über seine Zeit auf dem Lerchenberg und natürlich Moderator von Klassikern wie Klassentreffen, Drei Mal Neun und eben der Der Große Preis.

Eine legendäre Folge, die unter Insidern mit dem Ausspruch „Hundekot, schön harten?!“ verbunden ist, stellt den Auftakt zu einem epischen Projekt der Sozialen Plastik des Fernsehmuseums dar. Bis zum Jahr 2525 wollen wir allen Metamorphosen der Aktion Sorgenkind-Shows mit mindestens einer Ausgabe nachspüren. Von Frankenfelds kariertem Jackett bis hin zu Dieter Thomas Heck, dem mesmerisierenden Mega-Moderator, in dessen hypergravitationellem Schwarzen Loch offensichtlich alle großen ZDF-Shows eines Tages enden müssen. Ja, da werden längst vergessene Geheimnisse gelüftet! Wer weiß schon noch, dass Wolfgang Lippert den Nachfolger vom Großen Preis moderierte? Und ein Mal von Günther Jauch vertreten wurde? Und was hat Elke Schneiderbanger mit Sorgenkindern zu tun? Und wer hat Walter Spahrbier nach der Show den mentholgetränkten Popostöpsel gewechselt? Vor allem: Wer ist stark genug, diesen Gespenstern der Vergangenheit zu begegnen?

Teil 2
Im zweiten Teil des groß angelegten Projekts »Der große Große Preis« macht die Soziale Plastik des Fernsehmuseums einen Sprung mit der magischen Zeitmaschine. Nachdem am Beginn die erste Folge von Wim Thoelkes Quiz stand, begegnen wir dem großen Mann der großen Unterhaltung 18 Jahre später in seiner großen Abschiedsshow vom Großen Preis. Und sie sind alle da! Als Ehrengäste Intendant Dieter Stolte! Sein Adlatus, der Richelieu der Fernsehshows, Dieter Thomas Heck! Und als Experte für Coco Chanel sogar Karl Lagerfeld! Ein Feuerwerk des Wissens und der guten Unterhaltung.
Doch bei genauerem Hinsehen, wirft diese letzte Show von Thoelke mehr Fragen auf, als sie Antworten gibt. Woher nimmt Thoelke diese Autorität, diese mesmerisierende Kraft, die selbst einen Karl Lagerfeld zum Schuljungen degradiert, der widerspruchslos seine dunkle Brille abnimmt, um seine ungeschützten Augen dem ultimativen Wahrheitstest des Quizmasters unterziehen zu lassen? Wessen Arm ragt da anerkennend schulterklopfend ins Bild, als Oberschiedsrichter Eberhard Gläser eine Auseinandersetzung zwischen Thoelke und einer Kandidatin mit einem Machtwort beendet? Sollte es einen Gott über Gott geben? Und vor allem: Welche teuflische Saat hat Big Wim mit seinem Großen Preis gesät?
Teil 3
Im dritten Teil des groß angelegten Projekts »Der große Große Preis« macht die Soziale Plastik des Fernsehmuseums erneut einen Sprung mit der magischen Zeitmaschine. Nachdem am Beginn die erste Folge von Wim Thoelkes Quiz stand, und wir auch das Ende in der letzten Sendung mit mittlerweile „nicht mehr so Big“-Wim gesehen haben, erleben wir nun die Renaissance des „Schulmeisters der Nation“ ganz gemäß der buddhistischen Tradition in der Gestalt von Hans-Joachim Kulenkampff. Für Thoelke eine bittere Schmach, war er doch aus „Altersgründen“ in den ZDF-Gulli zum Mainzer Styx verklappt worden – nun ersetzte ihn der gefühlte 143 Jahre ältere Kulenkampff! Eine der ganz großen, tragischen Fehlentscheidungen auf dem Lerchenberg. Aber auch eine hoffnungsstiftende. Immerhin widerlegt dieser Fauxpas alle Paranoiker und Verschwörungstheoretiker, die meinen, so eine Sendeanstalt hätte einen Plan. Nein, wer immer da am Hebel saß — keiner von ihnen hatte auch nur den blassesten Schimmer, wie dieses Format eigentlich funktionierte. Sonst wäre von vornherein klar gewesen, dass man den Klassenkasper nicht vorne ans Pult stellen darf, ohne die Gesamtinstitution in Frage zu stellen. Der Große Preis lebte von Schultraumata und einer antiquierten, rigiden, antidialogischen Lernstruktur in extremst patriarchaler Atmosphäre. Ein hedonistischer Charmeur wie Kuli darf so etwas mal zu Sylvester verulken, aber nie und nimmer die Sendung for real leiten. Der implizite Respektverlust trifft den hilflosen Opfer-Zuschauer ins Mark und führt zu tiefer Verunsicherung. Aber wie gesagt – all dessen war man sich in der Chefetage nicht bewusst. Nein, man war sogar so derart vernagelt, dass man meinte, man könnte das Desaster Kulenkampff – der die Quoten und die Lotterieeinnahmen rasant in den Keller fuhr – dadurch glätten, dass man ihn durch eine Frau ersetzt!!! Aber von dieser Narretei im vierten Teil von »Der große Große Preis« ...