02.07.2012

Das letzte Stück DDR

Österreichisches TV: Der Blick auf die Welt mit Opernglas

Fernsehmuseum: Fremde Welten

Der einstmals stramme Zapp-Daumen schwengelt von galoppierender Atrophie völlig erschlafft an der Hand. Es gibt ja auch keinen Grund zum Zappen, wenn das Gerät eh nicht mehr eingeschaltet wird. Und für einen der ganz wenigen Restfetzen von interessantem Fernsehen gibt es zum Glück Timer in den digitalen Aufzeichnungsgeräten, EPGs und bestimmt über 2.000 Apps, die dafür sorgen, dass diese wenigen Sendungen nicht ungesehen ins Weltall rausstrahlen.

Man spricht irgendwie so eine Art Deutsch, die Leute sehen irgendwie ganz ähnlich aus wie hier, aber sie sind tagein tagaus nur am Feiern. Nein, die Rede ist nicht von der DDR, sondern von Österreich. Zumindest von dem Bild, das uns das Gesellschaftsmagazin Seitenblicke vermittelt. Geniales Diätfernsehen aus einer Parallelwelt. Junkfood-Genuss ohne jede Reue. Es schmeckt und fühlt sich an wie Exklusiv-Prominent-Red – aber man kennt niemanden der VIPs! Null Synapsenkalorien! Ein unfassbar entspannendes Gefühl, das wir den Besuchern des Sozialen Plastik des Fernsehmuseums unbedingt vermitteln möchten.

Und damit man auch weiß, was hier wirklich Sache ist, lassen wir Österreich sich selbst erklären – auf Englisch. Das deutschewelleartige Fenster Hello, Austria – hello, Vienna soll Menschen auf der ganzen Welt die schönen Eigenheiten der Alpenrepublik nahe bringen. Bizarrer sah einstmals nur noch Großbritannien im DDR-TV-Sprachkurs English For You aus.

Jahre später wurde klar, dass die Soziale Plastik Fernsehmuseum sich hier das letzte Mal materialisiert hatte. Irgendwelche brandheißen, neuen Formate zu präsentieren, war mit der flächendeckenden Verbreitung schneller Internet-Zugänge, jedenfalls in einer Stadt wie Berlin, obsolet geworden. Und dazu entwickelte das Wort „Fernsehen“ an sich offensichtlich eine so abschreckende Wirkung, dass die bis dato zahlreichen Besucher ausblieben. Aber auch uns selbst – Abteilung DG und reproducts – wollte das Ganze nicht mehr so richtig kicken. Weder der Blick in die Vergangenheit noch der in eine fremdländische Zukunft. Wir waren endgültig reif für den Blick zur Seite – den Seitenblick, was ironischerweise ja auch der Gegenstand dieser letzten Zusammenkunft gewesen war.