Franz Beckenbauer präsentiert: Alles muss raus!

Letzte Woche im reproducts-Büro…

„Der Sack muss endlich weg!“ Ein Mitarbeiter von reproducts kommt keuchend ins Büro und schleift einen leicht spakigen Jutesack hinter sich her, hebt ihn rückenschulengeschult hoch und knallt ihn auf einen leeren Tisch. „Dieser Sack ist im Weg, ich komm' an keins der hinteren Regale mehr ran. Was ist?! Man muss sich auch mal von was trennen können.“ „Was ist denn da drin?“ „Keine Ahnung, aber es muss weg.“ „Moment, ich kuck mal rein.“ „Nein, auf keinen Fall. Sonst wandert es sowieso wieder runter ins Archiv.“ „Zu spät. Aha, das dachte ich mir doch: das kann auf keinen Fall weg.“ „Wieso, was ist das denn, die verschollenen Videobänder von Mach-mit-mach's-nach-mach's-besser?“ „Nein. Es ist der Hairmatic 2000. Jahrgang 1976. Der ganze Sack voll damit. Ich zähl mal, wieviele das sind.“

Schütt, kruschtel, kruschtel.

„Vierundachtzig, es sind vierundachtzig Hairmatic 2000 Haarschneider, hergestellt von der Hairmatic AG, Unterbösch, CH-6331 Hünenberg, einem Unternehmen der Liedtke-Gruppe.“
„Ich höre eine gewisse Begeisterung aus Deinen Worten. Ich hingegen frage mich ganz nüchtern: Wer hat den Kram angeschleppt? Und wieso vierundachtzig Stück? Und warum überhaupt und zu welchem Behufe? Also: weisst Du was darüber?“
„Neiiin. Seh ich zum ersten mal.“
„Wirklich?“
„Ja, echt. Ich war‘s nicht.“
„Dann müssen wir die anderen mal fragen.“
„Wozu denn? Schmeiss es doch einfach weg, ich brauch es eigentlich auch nicht mehr.“
„Nein, jetzt will ich's wissen. Wir werden der Sache nachgehen. Außerdem ist Beckenbauer gerade in den Medien, falls Du es schon mitbekommen hast.“

Nach hochnotpeinlicher Befragung der übrigen reproducts-Mitarbeiter ist die Frage der Herkunft der vierundachtzig Hairmatic 2000 zwar immer noch nicht eindeutig geklärt, verdichtet sich aber auf zwei Theorien:

Theorie 1:
Einer unserer reproducts-Mitarbeiter, schon in zartem Kindesalter vom Fußballfieber ergriffen, hat Mitte der 70er Jahre echte Voraussicht bewiesen. Sein Idol Franz Beckenbauer, gerade auf dem Zenith seiner Spielerkarriere, macht Werbung für einen coolen Haarschneider. Der ist bestimmt später mal viel wert, denkt sich der junge reproducts-Mitarbeiter in spe und kauft von seinem gesparten Taschengeld, allem Anschein nach in der Drogerie Molitor in Hamburg, soviele Hairmatics wie seine Ersparnisse zulassen. Und das nicht etwa, um damit später den großen Reibach zu machen, nein. Denn er weiß von seinem Onkel, wie nun einmal shakespearesche Königs- (in diesem Falle sogar Kaiser-)dramen ausgehen müssen, und so plant er für sein Idol im voraus: falls es dem Franz mal schlecht gehen sollte, habe ich für ihn was auf die hohe Kante gelegt.
Seitdem sind vierundachtzig Hairmatic 2000 steter heimlicher Begleiter unseres Mitarbeiters, um im rechten Moment, wenn es dem Franz mal nicht mehr so gut gehen sollte, hervorgeholt und an den Meistbietenden verkauft zu werden. Die Summe soll dann dem Franz zu Gute kommen und ihm seinen Fußballer-Lebensabend sichern.
Und siehe da: kaum taucht nach vierzig Jahren der Sack mit dem kostbaren Inhalt wieder auf, schon wird der Franz von zweifelhaften Schweizer Gerichten ins Zwielicht gerückt. Wieder einmal eine selbsterfüllende Prophezeiung. Vielleicht können wir ja trotzdem helfen.

Theorie 2:
Mitte der 70er Jahre: leider läuft trotz der beliebten Werbefigur Franz Beckenbauer das Geschäft mit dem Haarschneidegerät Hairmatic 2000 nicht so gut wie geplant. Gigantische Stapel dieses Produkts aus Plastik und Metall lagern in der Nähe von Zürich (genau, das aus dem Filmzitat „nein, nicht nach Züüürich…“ ist gemeint) in feuchten Kavernen.
Die Jahre gehen ins Land.
Frühjahr 1997: plötzlich tauchen große Mengen dieses schon lange vergessenen Gebrauchsgegenstandes in einer Ramschladenkette wieder auf. Der späte Werner Metzen, der Sarastro der Resterampen, hat zugeschlagen. Auf nicht mehr nachzuvollziehenden Umwegen sind die Hairmatic 2000 aus der Schweiz nach Deutschland gelangt und dort bundesweit für kurze Zeit wieder im Angebot. Kaum von Beckenbauer-Fans wahrgenommen, liegen sie vergilbt in den Metallkäfigschütten. Doch plötzlich stirbt Werner Metzen unerwartet in seinem Domizil in Spanien. Die „Metzen-Teures-Billig“Läden werden konzeptuell von Metzens Sohn Lars umgestaltet und alles was nach Trash aussieht, fliegt aus dem Sortiment. Gerade noch rechtzeitig greift einer der damals zahlreichen reproducts-Mitarbeiter, immer unermüdlich auf der Suche nach dem besonderen Kick, zu und kauft den Restbestand der Hairmatic 2000 auf. Vermutlich für nicht mehr als 10 DM. Aus privatem Platzmangel stopft er alles in einen alten Sack und mogelt es unter die kostbaren Stücke des reproductschen Archivs, wo dieser seither langsam aber sicher verschimmelt.

Also, wir haben noch vierundachtzig Hairmatic 2000 auf Lager. Wir verkaufen sie pro Stück für den Fantasiepreis von 100 €. Das eingenommenen Geld überweisen wir auf das Konto von Franz Beckenbauer, versprochen. Der kann es bestimmt gebrauchen.