Bares für radikal Würdeloses

Selektion als TV-Show

Fernsehfriedhof.de - Z-Bar Berlin - 6. Mai 2019, 20 Uhr

Die Soziale Plastik des Fernsehfriedhof.de wird dort gebildet, wo es wehtut. Und dieses Mal heißt es besonders tapfer sein, denn es wird gebohrt. Ohne Betäubung. Ins Gewissen.

Sechs Kandidaten, eine fünfköpfige Jury, eine Psychologin und 50.000 Euro. Der Moderator beginnt die Sendung mit dem Satz: „Für uns ist es eines der spannendsten Showexperimente des Jahres – niemand weiß, wie es ausgeht.“ Lassen wir mal beiseite, dass darin der Gedanke aufscheint, bei dem Rest aller Shows vom Lerchenberg wüsste offenbar jemand, „wie
es ausgeht“. Bei dieser Show von 2017 geht es nach dem bekannten Casting-K.O.-System darum, welcher der sechs Kandidaten der glaubwürdigste Empfänger des Geld-Geschenks ist. Und das ohne eines der sonst deutschlandweit gesuchten Supertalente aufweisen zu müssen. Nein, hier zählt nur der Mensch und wie wertig seine Person der schöffenartigen Jury erscheint. Die muss nach jeder Runde (unterfüttert mit Insider-Infos von einer Art Charakter-Schufa) abstimmen und einen der Bittsteller rausschmeißen, bis dann der letzte das Geld kriegt. Das mitanzusehen ist für alle Beteiligten vor und hinter der Kamera wie auch jeden Zuschauer hochnotpeinlich und – wenn der Brechreiz des existenziellen Ekels überwunden ist – eine zum Glück einzigartige mediale und ethische Lehrstunde, die in dieser Mega-Challenge von Artikel 1 des Grundgesetzes den Wert unseres Gesellschaftskonstrukts im Recall begreifbar macht.

Etwas beruhigend ist, dass man wohl doch noch gemerkt hat, dass das als „Show“ dann doch irgendwie nicht ganz okay ist. Die Sendung lief nur ein einziges Mal. Und forscht man nach den Verantwortlichen dieser Menschen-Versuchung, fällt auf, dass alle eine selbstverständlich ellenlange Vita präsentieren, wo noch jedes Kabelhalten in einer Billigseifenserie aufgeführt ist, diese Sendung jedoch bei fast allen nicht genannt wird …