Auf diesem Videoband sind alle bisherigen Produkte von »Alles Neu« über »Phantomschmerz« bis zu den »Todesboten« zu sehen. Das Band endet mit einem Realfilm, der einen 20-minütigen, sukzessive beschleunigten Schwenk über die Oberfläche eines Sees zeigt. Die teils parallelen und teils gegenläufigen Bewegungen von Kamera und Wellen sorgen für eine hypnotische Wirkung, die es ermöglicht, das Einschlafen vor einer nächtlichen Dauerwerbesendung zu jeder Tageszeit nachzuvollziehen.
Nach dem großen Echo auf »Alles Neu« erteilt das Versandhaus Walz einen Folgeauftrag an reproducts. Um einen sicheren Erfolg zu garantieren, orientiert sich der Werbefilm an einem der bemerkenswertesten Formate, die das öffentlich-rechtliche Fernsehen hervorgebracht hat: das Schaufenster am Donnerstag.
Der Kommissar und seine Gehilfen kommen an die Tür: „Ihr Mann / Sohn / Freund ist erschossen worden.“ Fassungsloses Entsetzen auf Seiten der Hinterbliebenen. Sie können den Satz nur bruchstückhaft wiederholen: „Erschossen, sagen Sie?!“ Durch die Bestätigung wird die schreckliche Nachricht zur Wahrheit: „Ja, erschossen.“ Boten und Empfänger der vernichtenden Nachricht geraten dabei in eine Kommunikationsspirale über die Verneinung des Seins, die in einen nihilistischen Taumel mündet.
1994
Schwarzweiß-Video, 13 Minuten
Darsteller: Haley Newman als Anne
Judith Cole als Teacher Barbara Thumm als Dr. Krüger
James Pfaff als Passenger u.a
Fast 30 Jahre lief täglich eine der 51 Folgen des TV-Kurses English For You im Fernsehen der DDR. 1995 - 6 Jahre nach dem Fall der Mauer - produzierte reproducts die 52. und letzte Folge der Kultserie, die den Menschen die Worte für das stets Vermiedene lehrt:
1991
Objekt »Alles im Griff«
DIN-A4-Plastikmappe, Text und Bilder auf auf Transparentpapier gedruckt
Auflage unbekannt, fortlaufend nummeriert
„Nichts verkaufen, alles verschenken!‟, waren die letzten Worte des väterlichen Mentors der Gruppe, Dr. Reto Spuç, bevor dieser die neubezogenen Räume in der Wendenstraße 45c in Hamburg für immer verließ. Der Verkauf, auch wenn es nur ein notgedrungener gewesen war, des Objekts »Kleiderbügel« an die Deutsche BP war der Schritt vom Wege, den dieses entscheidende Gründungsmitglied nun nicht mehr weiter mit dem Rest von reproducts zu gehen gewollt war. Der Pesthauch der Kommerzialisierung wehte für ihn durch die Flure und machte die Zürckgebliebenen tief betroffen.
Als Ablass in eigener Sache oder Ausräucherung, je nachdem wie christlich-religiös oder pantheistisch-spirituell man die Sache nimmt, entschließt sich die Gruppe, statt etwas zu verkaufen (was doch eigentlich ohnehin nie beabsichtigt gewesen war), allen geschätzten Wegbegleitern und Mitstreitern etwas zu schenken! Die Abschrift einer Folge des Kinder- und Jugendmagazins Wie wär’s – Hobbys und Basteltips: Photographieren – aber richtig! (1987 im Nachmittagsprogramm von DDR1 gesendet) auf Transparentpapier gedruckt geht als Weihnachtsgeschenk in die Welt hinaus.
Wie sich später herausstellte eine geradezu mystische Vorahnung. Von der Sendung existiert weder im Deutschen Rundfunkarchiv noch in einem der sonstigen TV-Archive eine Kopie. Bis auf diese eine, verschneite VHS-Kopie im reproducts-Archiv …
1991
Ausstellung mit Tafelbildern, Installationen und Performances
BP-Zentrale, Hamburg
Die jährlich stattfindende Gruppenschau neuer Kunst in der Zentrale der Deutschen BP-Aktiengesellschaft ist die erste Aktion der Gruppe in diesem klassischen Kunst-Sektor.
1991
Jackett auf Holzkreuz, Ziegelsteine, Filz-Applikationen, Perücke, Bilder, Würfel
Die bei der Dalli Dalli!-Rekonstruktion verwendete Jacke wird zu einem Totem. In ihr spiegelt sich die abendländisch-christliche Weltsicht, die das Spielen immer nur zusammen mit seinem Gegenbild – dem Leiden – denken kann.
Das Objekt »Der Mantel des Herrn« wird einmalig bei der Ausstellung Für Digger in einem Schaukasten in der Kantine der BP-Zentrale öffentlich gezeigt.
1987, München
Performance von 10 Personen ohne Zuschauer
aufgezeichnet auf VHS-Video, ca. 120 Minuten
Das Privatfernsehen hatte gerade erst begonnen. Es war noch die Zeit, in der TV-Sendungen kollektive Ereignisse darstellen konnten. Und das nicht nur als Übertragung einer Fußball-WM, sondern als Krimi oder Fernsehshow. Dalli Dalli! war so eine Sendung. Eine Rateshow mit Prominenten, die heute unvorstellbare Einschaltquoten von 90% erreichte. Praktisch jeder schaute also am Donnerstag dieses „Ratespiel für Schnelldenker“, moderiert von Hans Rosenthal. Auch einige spätere reproducts-Mitglieder saßen damals gebannt vor der Kathodenröhre. Aber erst sehr viel später sollte ihnen bewusst werden, welche Rolle dieser Mann im postfaschistischen Deutschland wirklich spielte. Was für einen unbedingten Wunsch zur Versöhnung einen offensichtlich sehr großherzigen Menschen da trieb, der scheinbar nichts lieber wollte, als mit anderen, meist fremden Menschen ein bisschen Zeit mit lustigen Spielereien zu verbringen. Das alles nachdem er, der Jude Hans Rosenthal, die letzten Kriegsjahre von zwei mutigen Frauen in einer Berliner Kleingartensiedlung versteckt worden war. Dort hockte er in einer Gartenlaube und sprang bei jedem verdächtigen Geräusch in ein gut getarntes Erdloch, um nicht doch noch den Häschern der Gestapo oder denuziatorischen Nachbarn in die Hände zu fallen. Sein Ende in der menschenbetriebenen Mordmaschine des faschistischen Deutschlands wäre besiegelt gewesen .
All dessen sind sich die Beteiligten damals, 1987, durchaus bewusst gewesen. Und so ist es ein wahrhaft trauriger Tag, als die Nachricht von Hans Rosenthals Tod morgens zunächst in Rosenthals Heimat-Medium, dem Rundfunk, dann in der Presse und abends schließlich im Fernsehen verkündet wird.
Am 10. Februar treffen sich darauf hin spontan (und das heißt hier durch Telefonate vermittelt, meistenteils mit Schnurtelefonen geführt – BTX hatten nicht alle Teilnehmer und das Internet stand sowieso noch nicht zur Verfügung) zehn Personen in einer Münchner Fabriketage, um eine Dalli Dalli!-Show aus ihrer gemeinsamen Erinnerung nachzustellen. Wie sich später herausstellt, ist aus Teilen dieser Konstellation knapp zwei Jahre später die Gruppe reproducts hervorgegangen.