Um die Antwort gleich einmal vorweg: Keineswegs klappt dieses Molekül seine Kohlenstoffringe zusammen wie einen alten Liegestuhl – im Gegenteil, die richtige Karriere als Stressless-Sessel für ungeahntes Kopfkino bahnt sich jetzt erst richtig an! Denn darf man den Aussagen seines Entdeckers, dem Schweizer Chemiegenie Albert Hofmann, Glauben schenken, steht uns das große Zeitalter der psychoaktiven Bewusstseinserweiterung erst noch bevor. Ein bisschen davon ahnte Hofmann wohl bereits am 16. April 1943, als er auf seinem Fahrrad vom Labor nach Hause abfuhr – und gleichzeitig in seinem Gehirn und seiner Seele und seinem Herz das LSD einfuhr. Die Erfindung des Rades für das Denken.
Fernsehen war in seinen Anfängen vor allem abgefilmtes Theater. Eine statische Guckkasten-Veranstaltung, in der Bühnenvorhang mit der Schiebetür des TV-Schranks ausgetauscht wurde. Mit Fernsehen hat das jedoch nichts zu tun. Die Wurzeln dieses Mediums liegen vor allem in der Fließbandproduktion der großen Hollywood-Studios, die mit den jeweils beliebten Stars Film um Film auf den Markt drückten wie die Hühner einer Legebatterie. In den 30er Jahren war einer dieser Kassenschlager-Garanten der geniale Komiker W.C. Fields. In seinem 1941 entstanden »Never Give A Sucker An Even Break« unterzieht er die Fährnisse dieser Produktionsform und des Drehbuchschreibens einer genauen Betrachtung, die in eine groteske Achterbahnfahrt aus Absurditäten mündet - und liefert dabei ein bis heute gültiges Statement zu Kino und Fernsehen gleichermaßen. Falls man Gelegenheit hat, das über den permanenten Lachkrampf mitzukriegen.
Klar, kein Mensch guckt MTV. Das stimmt zwar nicht, denn die Quoten von MTV steigen, aber kein Mensch, der noch ein Restgehirn hat, guckt MTV. An Gehirn prallt dieses Fernsehen, vor dem uns Marcuse und Adorno (und ja, natürlich, auch Horkheimer!) immer gewarnt haben, ab. Das ist wie bei Futurama, wo die Gehirne die Weltherrschaft übernehmen wollen, und nur Fry mit seiner Flatliner-Hirnstromkurve sie stoppen kann. Also eigentlich ist es genau umgekehrt. Aber egal. Zwischen den kleinbürgerlichen Terrorshows wie Room Raiders oder Parental Control, den minimalen Musikeinspielungen aufgrund von Werbeverträgen und der Dauerklingeltonwerbung gibt es ein Format, mit dem man einfach nicht rechnet: Drawn Together
Abteilung DG und das reproducts-Fernsehmuseum freuen sich außerordentlich, eine Kollaboration mit Herman U. Soldan und dem promedia-Archiv bekanntzugeben. Aus dem schier unerschöpflichen Fundus dieses Archivs präsentieren wir zum Start in die neue Saison eine dreistündige Kompilation, in der wir ein Wiedersehen feiern mit einem seit Mitte der 90er Jahre aus allen Programmen verschwundenen Highlight – der Fernsehansage!
Von Februar bis Mai 2007 hatte die Tate Modern in London ein gesamtes Stockwerk ausgeräumt, um einer einzigartigen Künstlerfigur zu huldigen: Gilbert & George. Im Zuge dieser Ausstellung gab das Duo auch eine seiner äußerst seltenen Vorstellungen im Fernsehen. Natürlich taten die beiden das nicht irgendwo und irgendwann, sondern in der wichtigsten und unterhaltsamsten Abend-Talkshow des britischen Fernsehens:
2007
div. Video-Einspielerfür Symposium, kim und Z-Bar, Berlin
In Zusammenarbeit mit der Berliner Gazette, dem digitalen Mini-Feuilleton, präsentiert reproducts ein Video-Programm zum Thema „Gedächtnisverlust in TV-Serien“.
Im Jahr 2000 wurde die Definition der Grenze von „Comedy“ durch eine Miniserie im englischen Channel 4 jenseits des Sonnensystems hinausgeschoben. Jam nennt sich Projekt und ist in der Tat eine Mischung aus Marmelade und Verkehrsstaus. Eingekocht, klebrig und zäh wie das formlose Ende einstmals schöner Früchte und enervierend wie ein gigantischer Verkehrsstau, der seine Teilnehmer in ihrem Denken und Verhalten auf hirnstammgetriebene Primaten reduziert. Die Bilder sind dunkel und fast farblos, meist auf halber Geschwindigkeit abgespielt, unterlegt mit einem Industrialambientsound aus der Vorhölle einer verunglückten Vollnarkose. Darin agieren erstklassige Schauspieler, die Szenen darbieten, deren Witz nicht mehr in dieser Welt zu entdecken ist. Die Tonspur vieler dieser „Sketche“ stammt aus Blue Jam, einer Radioshow, die für Jam von den Comedians bildlich nachsynchronisert wurde – ein weiteres Moment, das zu der verstörenden Wirkung beiträgt.
Seitdem die Privaten auf Sendung sind, ist das TV-Programm auch der Öffentlich-Rechtlichen zu einer abgehalfterten Peepshow mutiert. Und die Anstalten dahinter führen sich auf wie nekrophile Stricher-Nutten, die nicht einmal mehr wissen, was das Wort „Schamgrenze“ wohl bedeutet haben mag. Aber dann schaltet man den MDR ein und weiß, dass es noch Oasen gibt. Kleine Ruhebuchten abseits des alles verschlingenden Malstroms. Ein solch blinder Fleck ist das Modellbahnmagazin Auf kleiner Spur. Alle paar Wochen entführt Moderator Robby Mörre die Zuschauer in eine Welt zwischen HO, N und TT – was hier noch für die Spurbezeichnung der DDR-Modellbahn steht und nicht etwa „Titten-Torture“ oder „Stickstoff-Slammen“.
Man besucht Einzelkämpfer und Bastelclubs, die ihr Leben ganz der Nachbildung einer Landschaft oder einer Zeit verschrieben haben. Geduld und Fingerfertigkeit sind die wichtigsten Tugenden in diesem Kosmos – unendlich weit entfernt von der Sehnsucht nach Instantergüssen bei den Findelkindern der MTV-Generation. Das „Magazin nicht nur für Nietenzähler“, wie es im Untertitel heißt, mutet für das dauergewaschene und -geschleuderte Gehirn bizarr an, aber es gibt viel zu entdecken …
Ein Streichholz entzündet eine Lunte, die am unteren Bildrand verbrennt. Darüber in rasender Geschwindigkeit eine Montage aus Bildern des bevorstehenden Abenteuers. Wieder einmal werden Jim Phelps und seine Kollegen von der IMF ("Impossible Mission Forces") mit neuester Technik und perfiden Täuschungsmanöver wahlweise korrupte US-Bürger, aufmüpfige Kleinstaat-Diktatoren oder umstürzlerische Anarchisten – also Handlanger des Terrors auf der Achse des Bösen – um die Ecke oder wenigstens in den Knast bringen. Das Fernsehmuseum zeigt in seiner diesmaligen Materialisation zwei Folgen von Kobra, übernehmen Sie!, die sehr eigenwillige, fremde Welten bauen. In »Willkommen in Klein-Amerika« (Folge 10 der 169-teiligen Serie) wird ein Trainingslager von Kommunisten ausgehoben, die in einer simulierten amerikanischen Kleinstadt das Leben im Land der unbegrenzten Möglichkeiten proben, damit sie nicht über fließend Wasser, Straßenbeleuchtung oder Telefonklingeln erschrecken und sich so vorzeitig enttarnen. In »Da capo!« (Folge 129) gibt William Shatner den Gaststar als böser Mafiaboss, dem die Kobra-Leute ein Geständnis von einem Mord entlocken, den er vor 30 Jahren begangen hatte. Dazu versetzen sie ihn mit Hilfe von Hyper-Make-up, Vitaminspritzen und einer Filmstudiokulisse in die 30er Jahre zurück …
Der Stand-up-Comedian Ricky Gervais ist auch hierzulande durch die legendäre BBC-Produktion The Office bekannt geworden – spätestens seit Pro Sieben den Nachbau Stromberg geliefert hat. Anders als in der TV-Realität ist Gervais dabei nicht auf der Straße gelandet, sondern im wahren Leben irrsinnig reich geworden – zum Beispiel durch den Lizenzverkauf an Pro Sieben. Was macht man mit diesem vielen Geld? Und mit einem sehr beschränkten schauspielerischen Können, das nur Rollen wie die des David Brent in The Office zulässt? Seinem Kompagnon und Autor ist das Kunststück gelungen. Stephen Merchant hat dem plappernden Loser eine neue, geniale Serie auf den Leib geschrieben:
Nahe der innerdeutschen Grenze zu wohnen, war der Zauberschlüssel, um in einen Zustand zu gelangen, der heute nur durch lange Meditation oder Instant-Nirwana-Medikamente erreichbar ist. Dort zu wohnen bedeutete, dass man mit einem kleinen Daumendruck auf der TV-Fernbedienung zwischen zwei televisionären Parallelwelten hin- und herschalten konnte. Ein heute fast unvorstellbarer Luxus, der seine Genießer auf ewig für die fade, braune Bettelsuppe des herrschenden Fernseheinerleis verderben sollte. Um den Besuchern der Sozialen Plastik des Fernsehmuseums eine vage Idee von der bewusstseinsverändernden Wirkung besonders der Arbeiter-und-Bauern- Sphärenschätze zu geben, die da über den Todesstreifen in den Westen waberten, zeigen wir ausgewählte Stücke aus dem DDR-Fernsehen:
Während die Trendforscher in der Hauptstadt noch die Nase in Wedding-Mülltonnen stecken, um das „nächste große Ding“ zu entdecken, zeigt uns Mexiko nun schon seit Jahren, wo eine Entwicklungslinie des Fernsehens hinführt. Da diese weise Fernsicht jedoch morgens um 5 auf RTL2 oder anderen Flatline-Sendern versendet wird, bricht Sancho „Museo Televisiona“ Pansa nun eine Lanze für diese Doña Quijote des Peyote-Fernsehens:
Salomé!
Die mexikanische Telenovela flicht in Crystal-klarer Geschwindigkeit einen Zopf absurder Handlungsstränge, der jedem Verbotene-Liebe-Zuschauer eine Aderquetsche aus Roten Rosen um den Hals legt. Eigentlich kennt man alles: Herz, Schmerz, Intrige, Hass, Liebe, Missgunst – aber Plots, Darsteller, Schnitt, Ausstattung und Musik garantieren ein wahrhaft wahnsinnigen Rausch aus einer fremden Fernsehwelt!