»Grüße & Beschwerden« stellt eine Vorarbeit zu dem Projekt »Plain Complaints« dar. Zwar gibt es für viele Menschen überall einen Anlass, sich zu beschweren, doch besonders im Urlaub treffen zwei Diskurse höchst unterschiedlicher Art in Tateinheit auf: die stichwortartigen, lapidaren, austauschbaren Grüße an die Zurückgebliebenen aus irgendeiner Bucht, von irgendeinem See oder aus irgendeinem Hotel – und die ausufernd-minutiösen Schilderungen der Umstände der Missstände, die die „schönsten Tage des Jahres“ vermiesen. Aber natürlich lauern die Kristallisationskerne der Enttäuschungsgewitter auch im eigenen Haus: kaputte Waschmaschinen oder defekte Kaffeevollautomaten – der Mensch in einer Welt goliathischer Maschinen als ein David, dessen einzige Schleuder der Beschwerdebrief ist. Um die Ernsthaftigkeit des Anliegens zu dokumentieren mit dem Füller geschrieben von verkümmerten Händen, die sonst nur noch mit Kuli Satzrudimente auf Postkarten klieren. Die Mission der Übergangenen: gehört zu werden.
2008
Digital-Video, 7 Minuten
Sprecher: Jörg Wagner
Titelmusik: Felix Kubin
Die zweite Folge von „Panorama Deutschland“ schildert die denkwürdigen Ereignisse in dem kleinen Städtchen König im Odenwald: Seinen kometenhaften Aufstieg an den Himmel des deutschen Kurwesens als das legendäre Bad König, wie es in den 70er Jahren jeder Balneotherapeut kannte und schätzte, und dem ganz und gar unrühmlichen Ende – in dem das „Bad“ verglühte wie der Schweif einer Sternschnuppe –, was König schließlich hart auf den Boden der Tatsachen aufschlagen ließ.
Zur Eröffnung des Kunst- und Philosophie-Meetings WIRSINDWOANDERS #2 organisiert die niederländische Gruppe VDGH ein FLOSS-Event im Haus 73 in Hamburg.
Kann die Welt ein Kurort sein? Warum muss Erholung wehtun? Und sind Werber überhaupt therapierbar?
Diesen und ähnlichen Fragen geht reproducts in einem beispiellosen Selbstversuch auf den Grund. Wir begeben uns in den Limbus eines klassischen Kurorts auf der Suche nach der grundlegenden Rekreation. Denn hier kommt die Zeit zum Stillstand – und jeder Besucher hofft, dass dies auf ihn abfärbt. Verschont von der übermächtigen Wellnesswelle, die alles Alte davongespült hat, wird in so einem toten Winkel noch mit stoischer Miene wassergetreten. Hier hat die Moorpackung stets ihre siebzig Grad und vier der kalte Guss danach.
2007
PDF-Dokument, 8 Seiten DIN A4, Text und Abbildungen
gefälschtes Exposé für die Teilnahme an einer Ausschreibung der NGBK, Berlin
Das Internet ist bekanntermaßen voller Fährnisse. Eines davon ist, dass Grafiken und Bilder weltweit jedem Menschen mit einem Internetanschluss und Empfangsgerät zur Verfügung stehen. Wie zum Beispiel das Logo von reproducts und die detaillierten Ausführungen zu der Gruppe, ihrer Arbeitsweise und den Absichten – Material, das sich jeder mit einem Mausklick zu eigen machen kann.
Am 1. April 2007 erhielten wir einen Anruf aus Berlin, eine alte Weggefährtin aus Tötensener Tagen meldete sich und wir hielten zunächst für einen kruden Aprilscherz. Sie saß gerade in der Jury der NGBK, die mit der Sichtung der Einsendungen zur Ausschreibung für die künstlerische Gestaltung des U-Bahnhofes Berlin-Alexanderplatz der Linie U2 beschäftigt war, und wählte den direkten Draht, um uns darauf hinzuweisen, dass wir noch ein Formular vergessen hätten.
Eine sehr freundliche Geste, doch wir verstanden nur Bahnhof. Schließlich agiert reproducts grundsätzlich nach dem Motto „call us, we won't call you“, und auch in diesem Fall hatte kein Mitglied an der Ausschreibung teilgenommen. Über die in dem Exposé angegebene (falsche) Postadresse von reproducts konnten wir sehr bald die tatsächlichen Urheber dieses soweit gelungenen Fakes ausfindig machen. (Die natürlich seitens der NGBK sofort ausgeschlossen wurden.)
Wir fanden das Konzept jedoch äußerst interessant und in der Tat des Labels Vertrauen durch Sicherheit würdig. Nur hatten diese mutierten Yes- bzw. Maybe- oder even No-Men von morgen den Spaß an ihrem Verwirrspiel jetzt verloren. Sie selbst hätten sich erst nach dem Sieg bei der Ausschreibung feixend zu erkennen gegeben. Dazu kam es nicht. Und auch heute und hier möchten die begnadeten Kunstfälscher nicht genannt werden.
2004
Webshop-Angebot
Postkarten-Fundstücke und individualisierte Postkarten-Objekte
Klicken Sie auf die Bilder für Grossansichten
Das ProjektObjekt ist das Ergebnis eines Gruppenseminars. Das immense Archiv von mittlerweile über 800.000 Postkarten inspiriert die Mitarbeiter schon seit langem im Vorbeigehen zu immer neuen Geschichten. ReproPost stellt die Professionalisierung dieses natürlichen, beiläufigen Prozesses dar.
Am 14. Februar 2003 startet die Tournee von »Reisen & Speisen« mit einer Neuaufführung im Gebäude 9 in Köln. Diesmal um eine Hauptrolle erweitert: Gloria Brillowska, Tochter der legendären Mariola Brillowska, steuert in ihrer Rolle als Kartenschreiberin eine ganz persönliche Sicht auf die Reisegeschehnisse bei. Dann geht es auf auf die Autobahn – »Reisen & Speisen« nimmt sich selbst beim Wort …
2002
Digital-Video, 10 Minuten
Sprecher: Jörg Wagner
Titelmusik: Felix Kubin
»Wipperfürth« ist die erste Folge der groß angelegten Serie Panorama Deutschland über Orte und Sehenswürdigkeiten in diesem schönen Lande. Den Auftakt bildet ein kleines Städtchen in Mitteldeutschland, das in den späten 60er Jahren von einer schrecklichen Tragödie heimgesucht wurde. Eine Gruppe junger Mädchen hatte sich zu einem Hexenzirkel zusammengeschlossen und unter dem Einfluss starker Halluzinogene den kleinen Bruder einer der Satansschwestern opfern wollen. Diese Bluttat wurde nur durch die letale Wirkung des Teufelstrunks vereitelt. Polizei und Feuerwehr bot sich später ein Anblick des Grauens. Die triste Postkarte verrät, dass die unbeschwerte Freude in diese Stadt nie wieder zurückgekehrt ist.
1998
Plastikmappe, DIN A4, 10 farbfotokopierte Archivblätter
Auflage 25 Stück
Auf Vermittlung des „Architekturbüro für Luftschlösser“ in Aachen nehmen neben reproducts vier Einzelpersonen und zwei Gruppen an einer Ausstellung im Zusammenhang mit dem AIR-Symposium* teil. Die Rotterdamer Galerie Salle de Bains stellt dafür vom 18. bis zum 31. Oktober 1998 ihre Räume zur Verfügung. (Nachtrag 2016: Die Galerie wie auch das Architekturbüro sind aus der Stadt wie aus dem Web absolut rückstandslos verschwunden.)
1998
Ausstellungsteilnahme mit 6 Farbfotokopien von Collagen
In einer stillgelegten Mitropa-Kantine in der Schlegelstraße 26/27 in Berlin-Mitte stellt die Gruppe vom 21. Februar bis 6. März 1998 mehrere großformatige Fotokopien von Originalpostkarten aus der »Tränenphiole I« aus. Und danach zu Hegel lautet der kryptische Titel dieser von Kurator Christoph Bannat in Berlin organisierten Ausstellung um die zwielichtigen Zwischenräume sozialer Peripherie. Dabei ist der Bezug ganz simpel: Hegels Grab liegt nur einen Steinwurf vom Ausstellungsort entfernt.
1997
Die virtuelle Kur am Computer – eine CD-ROM-Anwendung für Mac und Windows
Unsere immer schnelllebigere Zeit fordert ihren Tribut: Herz-Kreislauf- und vor allem psychische Erkrankungen breiten sich in der gesamten Gesellschaft aus wie ein Krebsgeschwür. Alle leiden an Schlafstörungen und sind ausgebrannt. Die dadurch entstehenden Kosten für die Behandlung und die Arbeitsausfälle explodieren. Was liegt da näher, als die Instrumente, die uns diese exponentielle Beschleunigung unserer Lebenswelt bescheren, auch zu ihrer Linderung oder gar Beseitigung zu nutzen – allen voran der Computer!
Die »Kyberkur in Bad Lux« ist der erste große Schritt der der KKKK, der Kranken Kassen Kur Kooperative, um diesem Problem Herr zu werden. Nach einem eingehenden Gesundheitstest wird die Kurbedürftigkeit des Patienten festgestellt. Danach führt eine virtuelle Busfahrt quer durch Deutschland, vorbei an den schönsten Sehenswürdigkeiten des Landes. Dieser Teil dient nicht allein der Informationen – hier beginnt bereits die Entspannung. In Bad Lux empfängt den dann schon weniger gestressten Menschen die persönliche Betreuerin: eine polnische Krankenschwester, die bereits den Gesundheitstest durchgeführt hat. (Aus Kostensenkungsgründen kommen für die Kyberkur nur osteuropäische Pflegekräfte in Frage.) In Bad Lux selbst hat der Patient die Möglichkeit, in aller Ruhe den Kurort zu erkunden und vielfältige zwischenmenschliche Begegnungen zu haben. Kern der Kur sind selbstverständlich die Besuche beim Kurarzt mit der anschließenden einzigartigen und nur für die Kyberkur entwickelten Lichttherapie. Denn Licht ist Leben und die Urquelle aller Heilung, wie schon Hippokrates wusste.
Im Grunde handelt es sich bei der Kyberkur in Bad Lux um ein insgesamt achtstündiges bebildertes Hörspiel. Der User tritt dabei in körperliche Interaktion mit seinem PC oder Mac. Der mit der CD-ROM mitgelieferte Messfühler – ein kleiner Saugnapf, der mit Speichel befeuchtet am Handgelenk angelegt wird und dann über den Mikrofoneingang mit dem Rechner verbunden wird – nimmt Daten an der Haut des Heilungsuchenden ab und ermittelt zusammen mit den anderen Angaben in den Multiple-Choice-Fragebögen den Kur-Koeffizienten der Person. Danach richtet sich später die Art der Lichttherapie. Die Personen, die der Kurende in Bad Lux trifft, sind ein ganz eigenes Völkchen. Jeder, dem man hier begegnet, kreist nur um sich selbst und textet den Kurenden gnadenlos zu. Eine Behandlung nach dem Ansatz der inversen Psychotherapie, die den Patienten unter dem Redeschwall seines Gegenübers schließlich ganz auf sich und seine eigenen Traumata zurückwirft, um den Weg zur Katharsis zu öffnen. Nach acht „Bad Lux“-Tagen kehrt der Kurende gestärkt auf den Stuhl vor seinem heimischen Computer zurück.
Ende September 1997 erscheint beim Rowohlt-Systhema Verlag in München die bisher aufwendigste Produktion von reproducts. Material aus über 10 Jahren des Sammelns und Verwertens destillierten die Mitarbeiter in die revolutionäre Therapieform der Kyberkur. Mit der Musikbegleitung von Felix Kubin. Durch das Programm führt die unvergleichliche Mariola Brillowska als – kostengünstige – polnische Krankenschwester. SchauspielerInnen wie Mauretta Heinzelmann, Holger Mahlich, Carla Becker, Franz Winzentsen, Angelika Wockert oder Bernhard Schütz, neben vielen anderen, leihen den gestörten Mitmenschen, denen man in Bad Lux allorten begegnet, ihre Stimme.
1996-1998
Multimedia-Performance, 90 Minuten
Reiseleiter: Jörg Wagner
Musikant: Felix Kubin
Am 20. Dezember 1996 wird das »Reisen & Speisen«-Programm in Hamburg uraufgeführt. Die nichtdigitale Live-Umsetzung eines Teils der CD-ROM »Kyberkur in Bad Lux« schildert eine Reise entlang des grauen Bands der Autobahn zu den schönsten Raststätten und Sehenswürdigkeiten Deutschlands.